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17.05.16 –
Drei neue „Stolpersteine“ werden am 19. Mai und 20. Mai im Gallus, derm Bahnhofsviertel und in der Innenstadt verlegt. Sie erinnern an die Schicksale von Frankfurter Bürgern, die Opfer der Nationalsozialismus wurden. Der Kölner Künstler Gunter Demnig wird am Donnerstag, 19. Mai, und Freitag, 20. Mai, die meisten der neuen Stolpersteine persönlich verlegen. Zu den Verlegungen kommen rund 30 Nachkommen und Angehörige der Opfer aus Israel, Argentinien, Chile und den USA sowie aus mehreren Städten in Deutschland. Bei einem „Abend der Begegnung“ im Budgehaus, zu dem die Angehörigen, die Patinnen und Paten der Stolpersteine und weitere Gäste eingeladen sind, wird Bürgermeister Olaf Cunitz ein Grußwort der Stadt Frankfurt sprechen.
Bei der ersten Verlegung am Donnerstag, 19. Mai, um 11.30 Uhr in der Albusstraße 24 nähe der Konstablerwache werden die Präsidenten von Eintracht Frankfurt und TUS Makkabi sprechen. Erinnert wird dort an die Familie von Max Girgulski (1913-1983), der bei der Eintracht Fußball spielte und sich nach seiner erfolgten Entlassung 1933 dem jüdischen Verein Makkabi anschloss. Er konnte 1938 nach Argentinien fliehen. Seine in Chile lebende Tochter wird bei der Verlegung anwesend sein.
Termine im Ortsbezirk 1:
Donnerstag, 19. Mai um 11.30 Uhr in der Innenstadt in der Albusstraße 24 für Salomon, Max und Maria Girgulski, Josef Hagel und Berta Eichberg,
Donnerstag, 19. Mai um 16.00 Uhr im Gallus in der Steuernagelstraße 60 für Friedrich Heilmann
Freitag, 20. Mai umd 16.00 Uhr im Bahnhofsviertel in der Windmühlstraße 5 für Käthe Löwensberg, Grete, Gustav, Irma und Erich Mainzer
Salomon Girgulski
Geburtsdatum: 2.4.1886
Deportation: 28.10.1938 „Polenaktion“
Todesdatum: unbekannt
Maria Girgulski, geb. Hagel
Geburtsdatum: 6.9.1885
Zwangsarbeit
Überlebte
Max Girgulski
Geburtsdatum: 12. 11.1913
Flucht: 1938 Argentinien
Berta Eichberg, geb. Girgulski
Geburtsdatum: 24.6.1912
Flucht: 1937 Argentinien
Joseph Hagel
Geburtsdatum: 17.2.1909
Flucht: 1938 England
Salomon Girgulski wurde in Wilna (Litauen) als Sohn des Wulf Girgulsky und von Sara Lea Girgulsky, geb. Wilk, geboren. Am 2. Dezember 1911 heiratete er in Bern die nichtjüdische Maria, geb. Hagel, aus Balg in Baden. Er war zu dieser Zeit als Zigarettenarbeiter beschäftigt.
Sie hatten insgesamt fünf Kinder, davon zwei voreheliche, Olga und Joseph, die den Nachnamen Hagel trugen. Nach der Heirat wurden Berta, Max und Elias Girgulski geboren.
Elias starb bereits im Alter von 13 Jahren; er ist auf dem neuen jüdischen Friedhof in Frankfurt beerdigt.
Die Familie lebte in Frankfurt bis 1937 in der Albusstraße 24/III, danach in der Albusstraße 19. Joseph Hagel wohnte 1938 in der Burgstr. 56.
Von 1924 bis 1927 ist eine Gewerbeanmeldung auf den Namen Salomon Girgulsky in Frankfurt, Fahrgasse 21, nachweisbar: Dieser „Handel mit Zigarren, Zigaretten und Tabak“ wurde am 12. Februar 1927 eingestellt. Später betrieb Salomon Girgulsky nach Angaben der Angehörigen einen Lebensmittelhandel für Eier und Milchprodukte in der Mörfelder Landstraße 182, dann in der Elbestraße und zuletzt ein Obstgeschäft auf der Zeil 12. Verfolgungsbedingt gab er 1933 sein Geschäft auf.
Salomon Girgulsky wurde im Rahmen der „Polen-Aktion“ von Frankfurt nach Polen verschleppt. Das letzte Lebenszeichen von Salomon Girgulsky erhielt seine Ehefrau 1941 aus Wilna. Sein weiteres Schicksal ist unbekannt. Die Ehefrau sollte zunächst ebenfalls nach Polen abgeschoben werden, durfte jedoch wieder nach Frankfurt zurückkehren. Ihre geplante Flucht nach Argentinien scheiterte 1941; sie war während des Krieges in einer Fabrik für Verdunkelungsrolläden zwangsweise dienstverpflichtet. Sie lebte 1948 in der Saalburgallee 21 und emigrierte 1950 nach Argentinien.
Max Girgulski besuchte die Städtische Fortbildungs- und Berufsschule und absolvierte eine Ausbildung als Elektrotechniker bei der Fa. Fischer & Müller. Bei dieser Firma und zuletzt bei der Firma Schick war er auch bis 1937 beschäftig, bis diese „arisiert“ wurde. Er war Fußballer bei Eintracht Frankfurt, 1928 wurde er mit deren ersten Schülermannschaft Gaumeister. Im August 1928 erscheint Max Girgulski mit seiner Mannschaft auf der Titelseite der „Vereins-Nachrichten“. Im Heft wird berichtet: „Abteilungs- und Gaumeister 1926/27/28 wurde unsere spielstarke Schülermannschaft durch ihren am 30. Juni errungenen 3:0-Sieg im Entscheidungsspiel gegen den Meister der Abteilung 2, Frankfurter-Ges. 02 Seckbach, ausgetragen auf dem Platze der Spielvereinigung 03 Fechenheim. Den Sieg errangen wir in überzeugender Weise ...“
Als nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten die jüdischen Mitglieder bei Eintracht ausgeschlossen wurden, schloss sich Max Girgulski 1934 dem jüdischen Verein Bar Kochba an. Im Endspiel um den Pokal des Deutschen Makkabi-Kreises im Frankfurter Stadion spielte Max für die Süddeutsche Mannschaft. „Süddeutschland“ siegte vor vollen Rängen gegen „Berlin“ mit 3:1 nach Verlängerung, 1936 wurde er mit Bar Kochba Frankfurt Meister der Makkabi-Reichsmeisterschaften. Jüdische Zeitungen berichteten über den „Verteidiger Girgulski, der bekanntlich auch im paritätischen Sport bei der Frankfurter Eintracht eine gute Rolle gespielt hat“. Im August 1937 wurde er für die Makkabi-Auswahl nominiert, die den deutschen Kreis auf der 3. Makkabiade in Tel Aviv vertreten soll. Das Sportfest wurde aber wegen Unruhen im damaligen Palästina abgesagt.
Am 10. Dezember 1937 stand Max Girgulski wieder im Endspiel um die Deutsche Makkabi-
Meisterschaft. Das Spiel zwischen Bar Kochba Hakoah Berlin und Bar Kochba Frankfurt wurde eine hitzige Angelegenheit. Beim Spielstand von 4:4 wurde die Partie abgebrochen, Max Girgulski wurde vom Platz gestellt. Ob der Spielabbruch „nach Undiszipliniertheit eines Frankfurter Spielers“ in direktem Zusammenhang mit der Roten Karte für Girgulski stand, ist nicht bekannt. Das Endspiel wurde am 27. Februar 1938 in Berlin wiederholt. Bar Kochba Frankfurt gewann gegen Berlin mit 2:1; Girgulski galt als der beste Spieler der Frankfurter Mannschaft. Bei den nächsten Reichsmeisterschaften war Max Girgulski nicht mehr dabei. Diesmal gewann Berlin mit 2:0 gegen Frankfurt, in der „Jüdischen Rundschau“ vom 22. Juli 1938 wurde die Niederlage unter anderem mit dem Fehlen von Max Girgulski erklärt: „Die Frankfurter Mannschaft war merklich durch den Verlust ihres wohl besten Spielers Girgulski, der inzwischen ausgewandert ist, geschwächt.“
Seinen Lebensunterhalt bestritt Max nach diversen Hilfstätigkeiten mit der Herstellung von Matrizen aus Stahl zur Fertigung von Plastikgegenständen wie Haushaltsartikel und Maria Girgulski starb am 20. November 1973, Max Girgulski am 3. Februar 1983 in Buenos Aires. Hier starben auch Berta Eichberg am 12. Februar 2008 und Joseph Hagel, der 1946 nach Frankfurt zurückgekehrt war. Carmen Girgulski starb am 1. Oktober 1996 in Chile. Susana Baron, geb. Girgulski, heiratete 1964 Arie Baron, der 1939 als Dreijähriger mit seinen Eltern aus Deutschland nach Chile geflohen war. Die beiden wohnen in Santiago de Chile. Sie werden Eltern von zwei Söhnen, Gabriel und Daniel. Die Söhne besuchen die jüdische Schule; Gabriel wird Orthopäde, Daniel wird Rechtsanwalt. Von 2005 bis 2011 war Susana Baron Präsidentin der chilenischen WIZO-Sektion.
Die Stolpersteine wurden initiiert von Eintracht Frankfurt und von Susana Baron, Chile (Tochter vom Max Grigulski).
Text: Pressemitteilung der INITIATIVE FRANKFURT AM MAIN e.V.
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