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20.02.18 –
der Redetext von Dr. Nargess Eskandari-Grünberg anlässlich des Pressegesprächs am 20. Februar 2018
Wir sind hier heute mitten in Frankfurt, und wir haben mit Absicht das Restaurant mit dem schönen Namen „Heimat“ gewählt. In gewisser Weise schließt sich hier ein Kreis: Die Pressekonferenz, mit der ich vom Kreisvorstand als Kandidatin nominiert wurde, haben wir am Bahnhof abgehalten – dem Ort, mit dem sich Frankfurt mir vorgestellt hat. Ich habe Ihnen erzählt, wie ich in dieser Stadt angekommen bin. Als Geflüchtete, mit meiner kleinen Tochter, allein. Ich habe Ihnen erzählt, wie mich diese Stadt aufgenommen hat und wie ich mir hier ein neues Leben aufbauen musste. Und ich habe Ihnen erzählt, wie ich in Frankfurt angekommen bin. Frankfurt ist mir längst „Heimat“ geworden. Der Begriff ist aktuell wieder in aller Munde. „Heimat“ ist wichtig, alle Menschen brauchen eine Heimat. Heimat bedeutet: Geborgenheit, Wurzel, ein Umfeld in dem man sich bei sich selber fühlt. Ich wünsche mir ein Frankfurt, das den Menschen Heimat sein kann. Allen Menschen. Das treibt mich um.
Das Engagement für meine Heimat, für die Heimat aller Frankfurterinnen und Frankfurter, hat mich auch motiviert, mich hier zur Wahl zu stellen. Es hat meine politische Laufbahn und auch die Wahlkampagne geprägt und uns die ganze Zeit begleitet. Bei Heimat geht es zunächst mal um die Menschen – und um deren Lebensumstände.
Ich habe in den letzten Monaten mit sehr vielen sehr unterschiedlichen Menschen Kontakt haben dürfen. Wir waren auf den Straßen und Plätzen und haben informiert und diskutiert. Ich habe Menschen zuhause und in ihren Geschäften besucht. Ich habe Einrichtungen und Initiativen besucht und mit den Menschen gesprochen. Ich habe mich auf Diskussionen mit Menschen ausgetauscht, habe mir angehört, was sie umtreibt und habe meine Ideen mit ihnen diskutiert. Und ich habe auf vielen Podiumsdiskussionen auch mit meinen Mitkandidatinnen und -Kandidaten gesprochen. Es waren tolle Erfahrungen, und wir biegen nun auf die Zielgerade des Wahlkampfs ein. Ich freue mich auf die letzten Tage. Und ich möchte Ihnen heute auch sagen, was ich in den ersten 100 Tagen tuen werde, wenn die Frankfurterinnen und Frankfurter mich tatsächlich als erste Migrantin zur Oberbürgermeisterin dieser Stadt wählen. Die Chance ist da. Die Resonanz war sehr ermutigend. Diese Stadt ist reif für einen solchen Schritt. Ich fühle mich bereit für das Amt. Und ich hoffe, dass ich auf diese Art und Weise den Menschen meiner Stadt auch für unsere gemeinsame Heimat etwas zurückgeben kann.
3 Themenbereiche haben die Kampagne geprägt, sie prägen meine Heimat, und sie werden auch meine ersten Monate im Amt prägen.
Nicht zuletzt die aktuellen Diskussionen um Dieselfahrverbote und deren Vermeidung zeigen, dass Handlungsbedarf für eine Neuordnung des Verkehrs in den Innenstädten besteht. Viele Städte sehen den Bedarf einer Verkehrswende und haben auch den politischen Willen dazu. In den ersten 100 Tagen werde ich wichtige Grundlagen für die dringend benötigte Verkehrswende in Frankfurt legen. Ganz oben auf meiner Prioritätenliste steht das 365€ Jahres-Ticket. Der RMV wird den Auftrag bekommen ein tragfähiges Finanzierungs- und Umsetzungskonzept zu erarbeiten. Auf dieser Grundlage werde ich noch in den ersten 100 Tagen zusammen mit dem Verkehrsdezernenten erste Gespräche mit dem Land über die Einführung des 365€ Jahres-Tickets führen. Das von Tarek Al-Wazir erfolgreich eingeführte Schülerticket in Hessen weist den Weg. Ich glaube fest daran, dass das 365€ Jahres-Ticket kurzfristig Wirklichkeit werden kann. Diese Idee, die noch vor 3 Monaten als ‚visionär, aber vermutlich nicht machbar‘ kommentiert wurde, erscheint inzwischen Allgemeingut. In anderen Großstädten wie Stuttgart oder Hannover wird auch über die Einführung eines 365€ Jahres-Tickets diskutiert.
Ich werde mich in den ersten 100 Tagen meiner Amtszeit an die Spitze einer Bewegung der Städte stellen, die eine Zusammenarbeit von Bundesregierung und Städtetag einfordert, um das Problem der Emissionsbelastung der Städte durch den Verkehr anzugehen. Dazu braucht es ein gutes Konzept und Engagement seitens der Bundesregierung. Ein Schnellschuss kurz vor drohenden Gerichtsurteilen wie die plakative Einführung von kostenlosem ÖPNV in 5 Städten ist hier nicht die Antwort auf die Herausforderungen – es ist aber zu begrüßen, dass die Bundesregierung das Thema inzwischen erkannt hat. Es wird gemeinsame Aufgabe der Oberbürgermeister*innen verschiedener Städte sein, der Debatte die nötige fachliche Tiefe zu verleihen. Das werde ich aktiv vorantreiben.
Ein weiterer Baustein der Verkehrswende ist das Innenstadtkonzept, insbesondere die Umgestaltungen der Berliner Straße und der Mainufer. Auch hier liegt der Ball in erster Linie beim Verkehrsdezernat. Auch hier werde ich in den ersten 100 Tagen sicherstellen, dass die Diskussion unter Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger, aber auch unter Beteiligung der Fachleute sowie der Dezernate (Verkehr, Planung, Soziales, Umwelt, Wirtschaft) zu Ergebnissen führt.
Zum Wohnungsneubau habe ich mich in den zurückliegenden vier Monaten ausführlich geäußert: Wir müssen auch neue Stadtquartiere bauen: urban, bezahlbar und umweltverträglich. Quartiere, die energieneutral, emissionsarm, flächensparend, grün- und freizeitflächenstark und weitgehend autofrei sind. Dabei sollen 40% für öffentlich geförderte Wohnungen, 20% für gemeinschaftliches und genossenschaftliches Wohnen vorgesehen werden. In einem ersten Schritt werde ich gemeinsam mit dem Planungs- und dem Baudezernenten das Gespräch mit den Investoren suchen, die bereits an der Planung sind. Gemeinsam werden wir nach Wegen suchen, diese Anteile auch bei schon existierenden Planungen zu erreichen.
Neben dem Wohnungsneubau kommt es aber auch darauf an, den Kampf gegen Mieterverdrängung in den bestehenden Stadtteilen zu verstärken. Ich werde mich als Oberbürgermeisterin entschieden dafür einsetzen, den Monopoly-Spekulanten die Stimmung zu verderben.
Ich werde gemeinsam mit dem Planungsdezernenten ein Konzept gegen Wohnraumspekulation und Mietervertreibung auf den Weg bringen. Die Stadt Frankfurt muss insbesondere:
Werde ich zur Oberbürgermeisterin gewählt, so steht für mich weit oben auf der Agenda, ein neues Kapitel der Zusammenarbeit mit der Region aufzuschlagen. Dazu gehört der Dialog mit dem Umland, aber auch ein Ende der Konfrontation mit der Landesregierung hinsichtlich des Landesentwicklungsplans. Ich werde die Ära der Schuldzuschreibungen an das Land beenden und die derzeit künstlich aufgestellten Diskussionen an dieser Stelle abräumen.
Der Dialog mit dem Umland ist für Frankfurt so wichtig, dass ich im Dezernat der Oberbürgermeisterin eine/n Beauftragte/n für die Region installieren werde. Diese Position wird den Dialog strukturieren, und sie wird verlässliche Strukturen für die Kommunikation schaffen. Wir haben in vielen Politikfeldern Abstimmungsbedarf mit dem Umland – dieser Dialog ist also nichts, was nur an einem Fachdezernat angedockt sein kann. Ich sehe es als Kernaufgabe der künftigen Oberbürgermeisterin, die Beziehungen zwischen Frankfurt und dem Umland zu vertiefen und nach gemeinsamen Antworten auf gemeinsame Herausforderungen zu suchen.
Ich werde außerdem unmittelbar nach der Amtseinführung gemeinsam mit dem Planungsdezernenten, dem Verkehrsdezernenten und der Umweltdezernentin Gespräche mit Vertreterinnen und Vertretern der Umlandkommunen aufnehmen, die von den aktuellen Untersuchungen zu einem neuen Stadtteil in Frankfurt betroffen sind. Ich werde darüber hinaus nach der Sommerpause Vertreterinnen und Vertreter der Städte, Gemeinden und Landkreise, des Regionalverbandes und der Landesregierung, der Industrie- und Handelskammern, Hochschulen zu einer Regionalkonferenz zum Thema Wachsende Städte, wachsende Region im Zeichen des Klimawandels einladen.
Unsere Region ist wirtschaftlich und ökologisch so verflochten, dass zukunftsfähige Antworten auf diese Herausforderungen neue Formen und Konzepte der regionalen Zusammenarbeit erfordern. Eine Möglichkeit, dabei weiterzukommen, könnte eine Internationale Bauausstellung für die Region FrankfurtRheinMain sein. Hierfür habe ich viel positives Feedback aus Fachkreisen, aber auch aus der Region, erhalten. Ich werde unmittelbar nach Amtseinführung entsprechende Gespräche vertiefen und mittels einer Stabsstelle eine IBA vorbereiten.
Ich werde mich in den ersten 100 Tagen als Oberbürgermeisterin bemühen das lang diskutierte Thema des baulichen Zustands der Theaterdoppelanlage zu lösen. Ich begrüße die Initiative der Regierungsfraktionen im Römer. Die Kulturdezernentin werde ich bei dem Thema nicht alleine lassen, sondern zusammen mit ihr bis zum Ende des Jahres eine Lösung erarbeiten, die sicherstellt, dass wir in unserer Stadt auch weiterhin exzellentes Schauspiel und eine exzellente Oper anbieten können, die sich in der kritischen Tradition und aller künstlerischen Freiheit in der Mitte unserer Stadt präsentieren kann. Parallel werde ich die Frankfurter Tradition der aktiven Stadtgesellschaft stärken und das tun, was der amtierende Oberbürgermeister hätte machen sollen. Ich werde mich um Spenden für die städtischen Bühnen bemühen, auch damit Frankfurt weiterhin ein Symbol für großartige Kultur am Standort am Willy-Brandt-Platz hat.
Außerdem werde ich das Projekt des Kulturcampus wiederaufnehmen. Wir müssen dringend verhindern, dass dieses gute Projekt durch Desinteresse seitens des Stadtoberhaupts eine Beerdigung zweiter Klasse erfährt. Ich möchte einen Kulturcampus für alle Frankfurterinnen und Frankfurter schaffen, von dem innovative Impulse in die Stadt ausgehen. Um das Projekt wieder voranzutreiben werde ich mich in den ersten 100 Tagen meiner Amtszeit mit dem Land und auch mit allen Beteiligten treffen. Wichtig ist, dass der Kulturcampus auch zusammen mit den Initiativen wie dem offenen Haus der Kulturen entwickelt wird.
Es geht aber auch um all jene, die in den vielen Vereinen das tägliche Leben in Frankfurt lebenswert machen. Viele Vereine leiden unter Problemen der Infrastruktur. Seien es zu hohe Kosten, fehlende Infrastruktur oder zu wenig Platz für den Bedarf. Ich werde deshalb in den ersten 100 Tagen meiner Amtszeit einen Runden Tisch zum Thema Öffentliche Infrastruktur für Vereine ins Leben rufen, damit geklärt wird, wie die Stadt die Arbeit der Vereine erleichtern und unterstützen kann. Beteiligt sein werden der Planungsdezernent, die Sozialdezernentin, der Sportdezernent, die Bildungsdezernentin sowie Vertreterinnen und Vertreter der Vereine.
Am Ende sind es Strukturen und Menschen, die Heimat ausmachen. Sie sollten damit auch im Mittelpunkt der Politik stehen. Ich werde meinen Ansatz des Dialogs, des Zuhörens, des Entscheidens und des Handelns fortsetzen, damit Frankfurt seinen Menschen eine gute Heimat sein kann – den „Neuen“ und den „Alten“.
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